Piz Zupò und Bellavista

Angetrunken schlafen auf 3610m

Wir fühlten uns grossartig, strotzten nur vor Kraft, versanken vielleicht in etwas Übermut. Mit wohlgemerkt Roseg und Bernina in den Beinen wollten wir unsere Ausbildungswoche mit dem höchsten 3000er der Schweiz, dem Piz Zupò, und der ganzen Bellavistaüberschreitung ausklingen lassen. Die physische und psychische Erschöpfung rückte in den Hintergrund, denn was uns erwartete, nannten die einheimischen Bergführer arrogant „Altweibertour“. Uns kümmerte dies wenig, denn mit der Besteigung der zwei berühmtesten Engadiner Eisriesen beschlossen wir uns fortan Bergsteiger zu nennen.

Ganz offensichtlich mit gestärktem Selbstbewusstsein, nutzen wir den freien Nachmittag um wieder zu Kräften zu kommen. Vor der Marco e Rosa Hütte, mitten in einer riesigen Gletscherlandschaft, blickten wir in stinkenden T-Shirts und Socken der Sonne entgegen. Wir scherzten, klopften Sprüche, tranken Calanda, liessen uns von der Sonne wärmen und genossen unsere gemeinsame Zeit.

Der nächste Morgen kam schneller als gewünscht. Die Augen klebten noch zusammen und der Körper sehnte sich nach mehr Schlaf. Die Wetterbedingungen liessen jedoch für eine Planänderung keinen Zweifel aufkommen und so standen wir Punkt 6 Uhr angeseilt mit gestecktem Achter und doppeltem Spierenstich bereit. Wir liefen mit leichter Morgenübelkeit los, vorbei an Crast‘ Agüzza und Piz Argient. Ab der Fuorcla dal Zupò wechselten wir vom langen zum kurzen Seil und stiegen so die letzten 200 Höhenmeter auf den Piz Zupò – Zupò stammt aus dem Romanischen und beudeutet „versteckt“. Die folgende ZS-Überschreitung war wahrlich ein Genuss. Bester Granitfels und einfache Kletterei. Auf dem Hauptgipfel der Bellavista, 3922m hoch, plünderten wir Mauros Tupperware. Gefüllt mit Trockenfleisch, Alpkäse, hartem Brot und dunkler Schokolade liess diese reichhaltige Mahlzeit keine Wünsche offen. Immerhin überragte alleine die Tupperware Gians 26 L Rucksack.

Mit gut 5 Kilo weniger im Gepäck überschritten wir die drei weiteren Bellavistagipfel und gelangten über den oberen Teil des Morteratschgletschers zu Fortezza, wo wir eine gut eingerichtete Abseilpiste vorfanden. Seilführer Gian drückte aufs Tempo, liess uns zu zweit gleichzeitig ab und kletterte nach. Auf dem Vadret da la Fortezza ruschten wir beinahe mit Fallgeschwindigkeit hinunter Richtung Isla Persa – Pickel und Eisschrauben verstauten wir sicher im Rucksack im Falle eines Sturzes. Wir passierten den unteren flachen Teil des stark zurückgegangenen Vadret da Morteratsch ohne Steigeisen und Pickel. Bei Punkt 2003m, wo der Wanderweg nach Morteratsch begann und zahlreiche Schaulustige mit Feldstecher das Schicksal einiger Bergsteiger verfolgten, teilten wir unser Material auf und verstauten es im Rucksack. Dabei wurden wir von neugierigen Touristen beobachtet und anschliessend gefragt, wo wir denn waren. Ganz bescheiden trauten wir uns nicht einmal die unplausible Wahrheit zu sagen.

Aufstieg: Marco e Rosa Hütte – Piz Zupò – Bellavista
Abstieg: Fortezza – Isla Persa – Morteratsch
Datum: 07.08.09
Dauer: ca. 8h
Schwierigkeit: ZS
Höhe: Piz Zupò 3995m
Bellavista 3922m
Höhenmeter: ca. 600m
die Besteiger: Seilschaft 1: Gian und Daniel
Seilschaft 2: Martin und Mauro
Kartenausschnitt: Route Piz Zupò Profil Piz Zupò

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