28.06.2015
Oberhalb von Lavin trohnt der imposante Piz Linard, welchen man von weitherum sehen kann. Dieser Berg ist ein Klassiker und wir haben uns lange darauf gefreut, den Linard besteigen zu dürfen.
Es war klar, dass zu diesem speziellen Anlass auch unsere zwei Heimweh-Engadiner Andri und Flo dabei sein müssen. Andri hat den Linard schon einmal bestiegen, da war er aber noch ein Kind und mochte sich kaum mehr daran erinnern.
Daher besammelten wir uns alle am Vorabend auf dem Gästeparkplatz vor dem Dorfeingang von Lavin…naja, fast alle. Andri war zu dieser Zeit noch im Hagenholz.
Nachdem wir ein kurzes Gewitter abgewartet hatten, machten wir uns zunächst ohne Andri auf den Weg zur Chamanna dal Linard. Der Aufstieg zur Hütte war ein Genuss. Die untergehende Sonne schien durch die moosbewachsnenen Lärchen, welche vom Gewitter noch nass waren. Dadurch war die Szenerie in ein goldenes, kontrastreiches Licht getaucht. In der Hütte angekommen wurden wir vom Hüttenwart sogleich mit einem Willkommensschnaps begrüsst. Und als ob die Wettergötter es zuvor gut mit uns meinten, begann es wieder zu regnen. Andri drückte derweil auf die Tube und erreichte die Hütte gerade noch rechtzeitig zum Hauptgang des Nachtessens. Der Linard war leider in den Wolken versteckt, daher besprachen wir die Route anhand der aufgehängten Fotos. Es wurde entschieden, dass es zwei Gruppen geben sollte. Die eine Gruppe mit Andri, Flo und mir würde über die Normalroute durch das Couloir auf den Gipfel steigen, die andere Gruppe mit Daniel und Martin würden sich am technisch schwierigeren Südwestgrat versuchen.
Am nächsten Tag liefen wir bei Tagesanbruch los und trennen uns bei ca 2560m.
Gruppe 1:
Das Bedingungen waren ideal. Der Schnee lag sogar noch im steilen Stück unter dem Couloir und hatte gerade noch eine genügende Festigkeit. Man konnte den Einstieg problemlos sehen. Daher machten wir an der Schneegrenze eine kurze Pause und zogen die Steigeisen an. Andri hatte Martins Steigeisen vom vorangehenden Jahrhundert und es fehlte wohl auch etwas die Übung, so dass sich das Einfädeln etwas umständlich gestaltete.
Ausgerüstet und gestärkt nahmen wir nun das schneebedeckte Couloir (ohne Seil aber mit Pickel) in Angriff. Flo stieg voraus, Andri in der Mitte und ich hinten um abzusichern. Von weitem sah das Couloir jeweils sehr eindrücklich aus und ich habe mir immer ausgemalt, wie es wohl ist, wenn man da am Berg ist. Ist man erstmal drin, ist es in erster Linie steil, lang, aber durchaus machbar. Die grösste Gefahr geht vom Steinschlag aus, daher empfiehlt es sich, das Couloir in schneebedecktem Zustand hinaufzuklettern. Und heute waren die Bedingungen ideal. Schnaufend kletterten wir hoch und erreichten bald den Ausgang. Von dort über den Boden weiter hinauf bis zum Grat. Vom Grat aus kann man etwas klettern, oder rechts vorbei über ein steiles Schneefeld. Wir wählten das Schneefeld, welches fast ein bisschen zu vereist war. Mit den Steigeisen und dem Pickel war das aber kein Problem. Das letzte Stück lässt sich leicht erwandern und schon waren wir oben. Verwundert stellten wir fest, dass Daniel und Martin auch schon oben waren. Teufelskerle.
Gruppe 2:
Glücklich verabschiedeten Daniel und Martin sich von den anderen drei Dummschwätzern und zogen sehr mühsam und steil in Richtung Scharte neben dem Punkt 3035. Dort seilten wir uns an, denn die Abgründe in Richtung Val Lavinuoz waren doch beträchtlich. Unklar über den genauen
Routenverlauf klettern wir mit ein Altschnee bedeckte Geröllrinnen aber auch schönen festen Fels auf der östlichen Gratseite über verschiedene Aufschwünge, bis wir uns entschlossen, entgültig dem Grat zu folgen. Nach der Scharte war die Kraxelei ein wenig heikel, danach ein Stück
weit doch ziemlich steil, am Schluss Richtung Gipfel doch eher flach. 50 Meter vor dem Gipfel angekommen keine Spur von unseren Kameraden, nur die anderen Seilschaften konnten wir beim Abstieg beobachten. Nach gefühlten 45 Sekunden erblicken wir plötzlich Flos Kopf aus dem letzten
steilen Aufstieg hervorragen. So erreichten wir fast auf die Minute genau den Vorgipfel und konnten gemeinsam den Gipfel besteigen.
Den Abstieg nahmen wir zusammen in Angriff. Es war nun bedeutend wärmer und der Schnee war sehr weich. Ideal für den Abstieg. Das ganze verlief Problemlos und bald waren wir wieder in der Hütte. Es war vollbracht! Was damals allerdings niemand wusste, es war Martins 100-te Tour. Herzliche Gratulation an dieser Stelle! Ebenfalls zu erwähnen ist die ausgeprägte Gastfreundschaft des Hüttenwirts der Linard-Hütte. Zusammen mit der schönen Lage ist die Hütte ein echter Geheimtipp.
Schöner Bericht. Vielen Dank den Verfassern.
Die Fotos kann man leider nur einzeln begutachten, tut dem Genuss des Anblicks jedoch keinen Abbruch.
Ich freue mich auf weitere tolle Touren (wer weiss, vielleicht ja doch mal wieder mit Markus und seinen Tourenschuhen?) und danke herzlichst für die Organisation der Linard-Besteigung.
A la prossima, Flo