Piz Sarsura

Der Berg eine Diva – Piz Sarsura

Eine letzte Wintertour an diesem Frühlingstag. Nach langer Anreise bis zum Dürrboden (2007) zuhinderst im Dischma war wohl männiglich froh, die muntere Frühmorgenstimme der DRS1 Frau endlich abmurksen zu können. DRS1 am Morgen gemahnt sehr an einen lapidaren courant normal, vor dem man ja gerade auf der Flucht sich befindet. Spätestens auf dem Dürrboden die Gewissheit, dass manch skitouristischer Copain sich heute an den Bergen rund um den Piz Grialetsch zu schaffen machen wird. Alsbald schon auf der harten Schneedecke den Dürrbodenberg hinaufgleitend, aufs Geratewohl nämlich, da noch nicht klar, welchen Berg wir schlussendlich anpeilen werden. Die kleine Meute schien sich für andere Wege entschieden zu haben, denn bald ist unser Dreiergrüppchen allein. In zügigem Diagonalschritt glitten wir kräfteverschwenderisch unterhalb des Verloren Tälli vorbei. Wer da wen wohl verloren hatte?

Wenig oberhalb der Chamanna da Grialetsch (2542) eine erste längere Pause. Ziel weiterhin ungewiss, wobei nun die Suche nach den besten Argumenten für diesen oder jenen Berg begann. Und das ging ungefähr so: Martin B. hebt die Hand für etwas leichtes, naheliegendes und natürlich für etwas noch nicht bestiegenes. Daniel F., in dessen Stammbaum auch Skirennfahrer zu finden sind, interessiert weniger den Aufstieg als vielmehr und einzig die Abfahrt: Am liebsten steil, eisig und mindestens von Kategorie ZS+. Der Piz Grialetsch mit seiner hochgrädigen Westflanke entspräche mit Abzügen diesem Profil, was aber nicht geht, da Martin B. mit seiner idée fixe nur ungern den gleichen Berg zweimal besteigt. Mich lockt der Name des Piz Sarsura, der zudem auch vom Tourenbüchlein als kleine Perle gepriesen wird. Irgendwo lese ich, der Piz Sarsura sei eine Diva. Was denn dem Berg diese schmeichelhafte Bezeichnung ermöglicht hat, ist leider nicht bekannt. Es mögen dann, wer weiss, vielleicht just die divenhaften und säuselnden Sirenen von Sarsura gewesen sein, die die Distanz zwischen uns und dem bereits gut sichtbaren Piz Sarsura kleiner erschienen liessen als vor allem von Martin B. imaginiert worden war. Obwohl Martin B. sich lieber dem gletscherfernen Radüner Rothorn oder dem noch ufernäheren Piz Radönt zugewandt hätte, zogen wir los zum zugeschneiten Vadret da Grialetsch.

Daniel F. liess sich kurz nach der Grialetschhütte bei einer ersten kleinen Abfahrtsmöglichkeit nicht lumpen und peitschte entsprechend seinem Rennfahrergeblüt schon erste Kurven in die weiterhin harte pista natura. Nach einem ersten steileren Abschnitt folgte die schönste Aufstiegspassage des Tages. Auf offenem Terrain glitten wir bei noch verheissungsvollem Wetter auf dem Gletscherfeld wie auf schiefer Ebene dahin und kamen der kleinen Felspyramide isla persa (2850) näher, die wir dann nordöstlich passierten. Der Name gibt wieder Raum für etymologische Spekulation und Anstoss zur Fabuliererei. Ist die isla persa eine verlorene oder gar eine persische Insel? Zugegebenermassen, eine persische Insel im Grialetschgebiet – das Andere, das Fremde, ja das Erotische im Bündner Eis – will ganz besonders gefallen, zumal besser als die verlorene Insel; verloren war ja bereits das nun schon weit zurückliegende verloren Tälli.
Fast verloren haben wir auch Martin B., nicht in einer Gletscherspalte, doch beinahe aus dem Blickfeld. Die wilde und falsche Lebensführung rächt sich halt im Gebirge, dachte ich mir beim Anblick von Martin B., damals freilich noch ahnungslos, dass mich schon bald eine ärgere Krisis fortan bis zum reinigenden Schnaps in der Grialetschhütte begleiten sollte. Wie auch immer, nach Pause und fröhlichem Geplänkel unweit der Fuorcla Barlas-sh (3014) und vis-à-vis des Piz Sarsura Pitschen näherten wir uns langsam der Westseite des Piz Sarsura. Es kamen einige zähen Spitzkehren bevor wir dann auf dem Sattel der Fuorcla Sarsura stehend den Vadret da Sarsura sehen konnten. Weiter liessen uns das sich seit längerem abzeichnende Nebelband und die Wolkenfront nicht blicken. Da wir die letzten Höhenmeter auf leicht östlicher Seite des Firnkammes zu Fuss hinaufstiegen, folgte das immer gern vollzogene Ski- und Fellabziehen diesmal nicht auf dem tourhöchsten Punkt. Dennoch, auch in diesem Fall kam die Entfellung wie immer einer rite de passage ziemlich nahe.

Oben auf dem Berg zeigte sich der Piz Sarsura dann doch als Diva. Der Übergang zum eigentlichen Haupt- und Westgipfel (3178) blieb uns durch eine eher gefährlich wirkende Schneewächte verwehrt. So halt verharrend auf dem Geröll- oder (aufwertend) Ostgipfel (3174) und dankend warmen Tee vom geschwinden Daniel F. trinkend. Schnaps wär mir schon jetzt lieber gewesen, eigentlich. Dann aber schon die Abfahrt und ganz vergessen, sich nochmals über den doch anmutigen Namen Sarsura zu wundern . Immerhin auch das Formtief vergessend.

Da zunehmend schlechtere Sicht und da auch das weite Schneefeld unter dem schneegrauen Himmel kaum konturierte Orientierungsmöglichkeiten uns anbot, gebot der breite Gletscherhang trotz zart-wattigem Sulzschnee zu vorsichtigen Schwüngen. Die Fahrt ziemlich weit hinunter ins Val Grialetsch war dann einer kleinen, unvorsichtigen Verve von Übermut geschuldet. Der damit verbundene Gegenanstieg zur Grialetschhütte führte schliesslich zu einer mehrbesseren Tortur; die wieder montierten, völlig durchnässten Felle schwammen dann wirklich fast davon, freilich in eine nicht gewünschte Richtung. Schlafkranke und frech pfeifende Murmeltiere passten zwar irgendwie zu diesem Spiesrutenlauf, wollten aber auch nicht mehr richtig behagen. Sie waren mehr als nur harzig, die letzten Kehren hinauf zur ziemlich bevölkerten Grialetschhütte. Von dort aber nochmals Blick zurück zur schönen Silhouette des Piz Sarsuras, dem auch wir den Geheimtipp-Charakter gerne zuschreiben. Meine Augen etwas erschüttert hat dann aber der von Daniel F. bestellte lösliche Instantkaffee. Auch nicht zum lachen war die Kurzgeschichte von Martin B., in der er uns unrühmliches von der Schweizer Armee erzählte, die den Grialetschgletscher einst als grossen Spiel- und Schiessplatz betrachtete und die Schweizer Soldateska, darunter Martin B. selbst, mit dessen Reinigung beauftragte. Darauf hätte ich gerne weiteren Absacker bestellt, wofür die Zeit aber fehlte. Hier das letzte Geleit: Südlich vom Furggasee ungefähr dem gleichnamigen Bach entlang über das Gletschtälli zum Gletschboden hinunter und so mit Skis fast bis zum Dürrboden zurück. Bemerkenswerte Tour, auf alle Fälle. Divenhafter Berg und kokettierende Murmeltiere hin oder her.

Aufstieg: Dürrboden – Fuorcla da Grialetsch – Fuorcla Barlas-ch – Piz Sarsura
Abfahrt: analog Aufstieg
Datum: Irgendwann im Frühjahr 2011
Dauer: Aufstieg: zu lange
Abfahrt: zu viel gestürzt
Schwierigkeit: WS
Höhe: Piz Sarsura 3178m
Höhenmeter: einige
die Besteiger: Martin, Daniel F. und Pici

2 Kommentare zu “Piz Sarsura”

  1. admin 1. Dezember 2014

    Tja dr Markus isch do Chef!

  2. hodi 1. Dezember 2014

    ueila, gits mol wider an pricht? as Revival?

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