Meine erste Tour dieses Jahres fand symbolträchtig im Gebiet des Piz Blaisun statt, der Wiege unseres Projektes.
Eine Kaltfront war soeben über das Land gezogen und die Wetterfrösche begannen zu steigen. Da beschlossen Daniel und ich, die Küken der Bergsteigerwelt, gemeinsam den Piz Üertsch zu erklimmen. Würde das gutgehen?
Zunächst hiess dies erst mal: Ausschlafen. Mit dem Gr3000-Mobil folgte dann am späten Morgen eine gemütliche Fahrt zum Albulapass, vorbei an Bäckereien und einer Wiese mit einem Stier. Dessen Stattlichkeit fand allgemeine Bewunderung, nicht jedoch das Wetter das auf dem Pass herrschte. Ein ungewohnt kalter Wind pfiff uns um die Ohren, Wolken und Nebel schränkten die Sicht auf wenige Meter ein. Die Tour drohte ins Wasser zu fallen, denn in der Fachliteratur wird der Berg als nicht ganz so einfach zu erklimmen beschrieben. Dennoch wollten wir es wagen, denn ¨umkehren kann man immer¨ und schliesslich war für den späteren Tag schönes Wetter angesagt.
Gesagt getan. Motiviert marchschierten wir los, verloren wegen des Nebels bereits nach wenigen Metern die Orientierung und wanderten fröhlich ein paar hundert Meter in die falsche Richtung. Sollte bereits eine Kuhwiese unsere Schlüsselstelle sein? Der Fehler war aber schnell korrigiert und bald fanden wir uns im Schutt-Tälchen wieder, das uns auf die Fuorcla Zavretta (2878m) führte. Der Aufstieg war nicht allzu anstrengend und zu unserer Freude lichtete sich oben der Nebel und die Sonne grüsste uns mit ihrer wärmenden Kernfusionsstrahlung.
Nun hatten wir freien Blick auf den Weg der vor uns lag, um zu unserem primären Zielberg Piz Üertsch (3267.7m) zu gelangen. Dieser führt von der Fuorcla Zavretta zunächst über ein langes, steiles Geröllfeld, bei dessen Anblick allein sich meine Oberschenkel zu übersäuern begannen.
Nach einer kurzen Rast nahmen wir das Geröllfeld in Angriff. Jeder tat dies auf seine Weise, kraxelnd, kletternd, stets ausser Atem. Als die Schuttsenke beim Grat auf 3089m erreicht war, waren wir kräftig durchgeschwitzt und man darf sagen dass dies der konditionell anspruchsvollste Teil dieser Tour war. Nun lagen noch etwa zweihundert Höhenmeter ¨Kletterei¨ auf dem Westgrad vor uns. Was dies wirklich bedeutet fanden wir wenig später heraus. Gleich nach den ersten paar Metern folgte nämlich die Schlüsselstelle im II. Schwierigkeitsgrad, welche aber dank Fixseil relativ sicher durchklettert werden konnte. Diese Stelle mit zittrigen Knien überwunden, folgten wir der Kante des Grates und kletterten die restliche Strecke über schönen und festen Fels zum Gipfel. Leider war die Sicht etwas getrübt, so dass der der Gipfel und der Grat nicht den vollen Genuss bieten konnte. Dennoch, es war eine lohnende, durchwegs spannende Besteigung. Auf dem Gipfel rasteten wir nur kurz und stiegen wieder den gleichen Weg über den Westgrat zurück, was uns nochmals viel Konzentration abverlangte.
Heil bei der Schuttsenke 3089m angelangt, bestiegen wir in wenigen Schritten gleich noch den Piz Alvra (3117m). Über diesen Berg kann man nicht viel sagen ausser dass man einen schönen Blick auf den Westgrat des Piz üertsch hat und dass sich in dessen Nähe Steine befinden, die wie Speckschwarten aussehen. Daniel liess es sich an diesem Ort nicht nehmen, seinen Beitrag zur Berggesteinsabtragung zu leisten und packte einen schönen Dreikilostein in seinen Rucksack. Mit diesem Ballast stiegen wir wieder die Geröllhalde zur Fuorcla Zavretta hinunter. Dort deponierten wir unsere schweren Rucksäcke und eilten schnellen Schrittes auf den dritten Gipfel des Tages, den Igl Compass (3016m). Die angegebene Zeit von zwanzig Minuten dürften wir dabei deutlich unterschritten haben. Nach den vorangehenden Kraxeleien war dieser Berg ein Spaziergang. Der Abstieg zum Passhospiz über Geröllhalden und Alpweiden gestaltete sich erfreulicherweise kurz und bald fuhren wir wieder, am Pascha-Stier und seinem Harem vorbei, ins Tal zurück.
Die Tour auf den Piz Üertsch war bereits das Highlight meiner jungen Bergsteigerkarriere.
Wir konnten unsere kletterischen Fähigkeiten zum ersten mal im Ernstfall unter Beweis stellen und auch das Greenhorngespann Daniel/Markus hat trotz Anfangsschwierigkeiten erstaunlich gut funktioniert. Daher kann ich es kaum erwarten auf weitere Gipfeltouren aufzubrechen.
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