Nach längerem Debattieren und in Betracht Ziehen der beträchtlichen Schneemengen am Piz Linard und der sehr imposanten Felswände des uns direkt gegenüberliegenden Piz Pisoc entschlossen wir uns, am zweiten Tag unseres Aufenthaltes in “Salez” bei Ftan den Piz Nuna (3124 m.ü.M) in Angriff zu nehmen.
Pünktlich um 06.30 Uhr weckte Andri “der Jäger” wie am Tag zuvor, und wie er sich dies von der Jagd her gewohnt ist, die Mannschaft mit fröhlichen Tönen aus dem Radio, was mit Grunzen und Stöhnen quittiert wurde. Der optimistische Wetterbericht hatte sich bestätigt und die Sonne schien bereits auf die gegenüberliegenden Bergspitzen. Bei diesem Anblick wich unsere Schlaftrunkenheit nach und nach dem Tatendrang und wir machten uns mit dem Auto auf nach Sur En d´Ardez. Nach kurzem Aufstieg erreichten wir die Alp Sursass am Eingang zur Val Sampuoir. Die Routenwahl wurde wie immer Martin “dem Unfehlbaren” überlassen und so staunten wir ein wenig, als wir auf der folgenden Wegstrecke Höhenmeter um Höhenmeter verloren und in Kuhfläden und Schlamm fast steckenblieben. Bald erreichten wir jedoch den Hauptweg ins Val Sampuoir und bewegten uns unaufhaltsam weiter unserem Ziel entgegen vorbei an beeindruckender Wildnis mit nie gesehenen Blumen, zwei Rehen und wild pfeifenden Murmeltieren. Daniel “das Zugpferd” schritt wie üblich munter voran, die Anderen schnauften hinterher. Ab und zu musste auf Wunsch Andris “des Jägers” eine Verschnaufpause eingelegt werden, was wahrscheinlich mit dem Gewicht seines riesigen Rucksacks zu tun hatte. Nach ca. 3 Stunden erreichten wir dann die “Fuorcla Stragliavita”, den Scheidepunkt zwischen Val Sampuoir und der dahinter liegenden, zum Ofenpass abfallenden Val Laschadura. Der Piz Nuna stand nun wie ein riesiger Felsblock direkt vor uns und wir machten erst mal eine Pause zwecks Verpflegung. In den Felsen entdeckten wir etwa fünf Stück Wild, das Andri “der Jäger” als Gamswild identifizierte. Jedoch hatte dieser die Urteilskraft und Sehschärfe Martins “des Unfehlbaren” unterschätzt, der die Tiere für Steingeissen hielt. Nach längerem spiegeln musste der “Jäger” dem “Unfehlbaren” Recht geben und somit war klar, dass der kleine “Faux-pas” des “Unfehlbaren” bei der Routenplanung nur eine Ausnahme war, die die Regel bestätigte.
Danach hiess es: Auf in den Fels! Dieser war sehr griffig und so kamen wir gut voran. Nach etwa ¾ des Felsaufstiegs fanden wir uns jedoch vor einem ziemlich gefährlichen, felsigen Grat wieder. Daniel “das Zugpferd” kam nicht mehr so forsch voran wie auch schon und versuchte sich stillschweigend auf die Aufgabe zu konzentrieren. Andri “der Jäger” wählte die gegenteilige Strategie und unterdrückte das mulmige Gefühl im Bauch durch viel Geschnörr und auch Martin der “Unfehlbare” musste zugeben, dass er ein wenig Höhenangst hatte. Die Zeit für Markus “den Unerschrockenen” schien gekommen. Dieser stieg zügig im Alleingang voran und schaute uns jeweils auf dem nächsten Fels aufrecht stehend zu wie wir versuchten, es ihm gleich zu tun. Schon bald erreichte er den Gipfel. Jetzt gab´s kein Halten mehr. Zehn Minuten später gratulierten wir uns dann auch schonzur Ersteigung des Piz Nuna, schossen das obligate Gipfelfoto und genossen die fabulöse Aussicht. Viel Platz zum Sitzen blieb zwar nicht, trotzdem verbrachten wir einige Zeit auf dem Gipfel, bevor wir uns zum Abstieg in Richtung Val Nuna bereit machten. Abgesehen von zwei heiklen Stellen klappte dieser recht gut, wir Rutschten die losen Geröllhalden hinunter und glitten wie auf Skiern über den Nunagletscher ins Tal. Auf den Geröllfeldern unter dem Gletscher, dem “Stavel da chamuotschs”, überraschten wir ein paar Gämsen (Romanisch: chamuotschs = Gämsen), die sich aber leichtfüssig aus dem Staub machten. Nun hiess es nur noch runter und runter und nach 9 ¼ Stunden erreichten wir unseren Ausgangspunkt in Sur En. Zwar mit schmerzenden Beinen und Knien aber um viele schöne Eindrücke und Erfahrungen reicher.
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