Dieses Jahr auf nunmehr 2 Mann geschrumpft fing die traditionelle grosse Tourenwoche wieder im Oberengadin statt. Nach Morteratsch, Roseg und Scerscen in den Jahren 2008, 2009 und 2011 orientierten wir uns an den östlichsten Teil der Berninakette und setzten uns den nicht minder herausforderungsvollen Piz Cambrena als Tagesziel. Die Tatsache, dass wir ohne jegliche kompetente Führung seitens Gian auskommen mussten und Martin sich auf keinen Fall wegen den anstehenden Ferien mit seiner Herzensallerliebst verletzen durfte, vereinfachte auf keine Weise unser Unterfangen. Gian, der uns quasi telefonisch die Tourerlaubnis über die Arlas-Route erteilt hatte, wusste zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht, welch gefährliche Abstiegsroute über dem ihm noch völlig unbekannten Piz Caral wir im Sinn hatten.
Wir starteten also Punkt Fünf Uhr von der Diavolezza nach einer schlaflosen Nacht im Doppelzimmer – nächstes Mal wieder im Schlag – und liefen Richtung Fuorcla Trovat, immer wieder vorbei an Biwakplätzen, immer schön unserem einen Lichtkegel folgend (Martin findet so vieles nicht mehr, was er mal einst vor 30 Jahren gekauft hat). Weiter ging es zur Fuorcla d’Arlas, im Hintergrund auf dem Persgletscher stets die Lichter der Palübesteiger.
Wir kletterten im mühsamen Schutt ohne Hilfe der neu eingerichteten Eisenstangen zum Punkt 3083 hoch und gelangten über den Rücken zum Nordgipfel des Piz d’Arlas auf 3375. Hier begann das Anseilprozedere, immer mit der leisen Stimme im Hinterkopf, wie um Himmelswillen der Spierenstich geknüpft wird. Sichtlich erlöst von der ersten Tortur des Tages (hier ist tatsächlich das Anseilen gemeint), gingen wir zügig weiter über den felsenfesten und zum Teil doch sehr exponierten Nordgrat. Schwierig war der Grat jedoch dabei nie. Kurz vor dem etwas höher gelegenem Südgipfel gab es noch einen harmlosen Aufschwung zu überwinden und schon standen wir auf dem Hauptgipfel des Piz d’Arlas. Das Abklettern zum Gletscher erfolgte problemlos, eher Schwierigkeiten bereitete einmal mehr das Anziehen der Steigeisen (Martin, die Öse immer aussen für das nächste Mal!).
Fortan mit Steigeisen unter den Füssen unterwegs – die einen richtig, die anderen verkehrt herum – stapften wir am langen Seil auf dem schon für diese Tageszeit ziemlich weichen Gletscher. Dann der Schock: Martin fiel im flachen Teil bis zur Hüfte in eine Spalte. Nur mit viel Glück verhedderte sich der rudimentär abgebundene Anseilachter, was alles andere als ein Spierenstich war, zwischen Eis und Schnee. Somit konnte ich ihn ermutigt durch einen Überschuss an Adrenalin ohne jegliche Mühe sofort herausziehen und die Situation markant entschärfen. Nachdem ich ein Schweigegelübde abgelegt hatte, konnten wir unsere Tour wieder aufnehmen.
Auf dem 3606m hohen Piz Cambrena dann die erste längere Pause. Der Übergang zum Piz Palü sah nicht einladend aus. Dafür setzten wir uns dessen Ostpfeiler als nächstes grosses Ziel. Dieser ist nämlich einer der Klassiker in Graubünden.
Die Kälte liess die eigentlich länger geplante Pause erheblich schrumpfen und so standen wir nach einigen Minuten bereits auf dem 3602m hohen Nebengipfel des Piz Cambrena. Von da aus begann der extrem brüchige WS-Grat zum Piz Caral (an dieser Stelle sei vermerkt, dass wir unsere Abstiegsroute in keiner Weise empfehlen). So war das Abklettern zu Punkt 3387 gespickt mit einigen kniffligen Herausforderungen, die wir jedoch zuletzt souverän meisterten (oder nicht Martin?). Die Belohnung wartete kurz vor der Fuorcla dal Cambrena. Ein ganzes Steinwildrudel kletterte mit uns den Grat weiter als hätten sie gemerkt, dass wir führerlos unterwegs waren.
Auf dem Piz Caral, überzeugt davon die grösste Schwierigkeit des Tages schon überwunden zu haben, genossen wir die einsame Zweisamkeit. Wir schossen ein paar Fotos um den Moment festzuhalten bevor der unangenehme Teil der Tour seinen Anfang nahm. Wir stiegen zunächst mit Leichtigkeit zum Gletscherbächlein zwischen Punkt 3157 und 3072 ab. Dort wählten wir etwas naiv die tückische Flanke Caralin. Die tobenden Wasserfälle der Gletscherabbrüche gegenüber schienen wahrhaftig unsere Sinne zu trüben. Welch Wahnsinn (ich glaub es war Martins Landkarte von 1948) trieb uns da hinab, denn in der Flanke Caralin wechselten sich Felsen, Couloire und steile Wiesenpartien ständig ab. Selbst Herr Fürst Couloir bekundete ernsthafte Schwierigkeiten.
Als wir endlich und sehnsüchtig den Höhenweg von Li Mandri oberhalt der Alp Grüm erreichten, sah man uns die Erleichterung deutlich ins Gesicht geschrieben. Die Tour war insgesamt ein gelungenes Erlebnis und bekommt von mir drei Daumen nach oben.
Aufstieg: | Diavolezza – Fuorcla Trovat – Fuorcla d’Arlas – Piz d’Arlas – Piz Cambrena – Fuorcla dal Cambrena – Piz Caral |
Abstieg: | Caralin – Höhenweg zur Alp Grüm |
Datum: | 23.08.2011 |
Dauer: | 8h 47min |
Schwierigkeit: | ZS |
Höhe: | Piz d’Arlas Nordgipfel 3375m Piz d’Arlas Südgipfel 3467m Piz Cambrena Westgipfel 3606m Piz Cambrena Ostgipfel 3602m Piz Caral 3421m |
Höhenmeter: | 930m (Aufstieg) |
1765m (Abstieg) | |
Distanz: | 12.49km |
die Besteiger: | Martin und Daniel |
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