Piz Zavretta 3043 m.ü.M – Geburtstagstour mit Andri
Wie schon Markus und Daniel (hier) stiegen Sandro, Andri und Martin von der Albulpassstrass über die Fuorcla Zavretta auf den Igl Compass, um danach den Piz Alvra zu erklimmen. Vom Piz Alvra aus machten wir uns um 10.00 Uhr auf den Weg zum vom GR3000 Team noch unberührten Piz Zavretta. Da der Weg wieder am gleichen Ort zurückführen sollte, nahmen wir nur das Nötigste mit wie Handschuhe, Fotoapparat und Jagdstock. Anfangs gings in raschem Schritt flott vorwärts. Bei der ersten schwierigeren Passage, bei Punkt 3059, mussten Andri sich schweren Herzens von seinem schönen Jadgstock trennen, da er ihn wohl eher aus dem Gleichgewicht gebracht hätte als dass er einen konkreten Nutzen erbracht hätte. Weiter gings meist ein wenig links unterhalb des Grat, teils über den Grat in leichter Kletterei. Die drei Freunde unsinniger Gipfel gaben konzentrierten sich dabei in hohem Masse, Zeit und Gelegenheiten für dumme Sprüche fand sich kaum. Nach 5/4 Stunden erreichten wir den Piz Zavretta, welcher 3043 Meter über Meer hoch ist. Da wir die Karte auf dem Piz Alvra zurückgelassen hatten, waren wir nicht ganz sicher, ob dies bereits der Gipfel ist. Um sicher zu gehen, stiegen Andri und Martin noch ein wenig weiter, bis sie direkt ins Val dla Crusch hinuntersehen konnnten. Zusätzlich ist dort auch ein Holzpfosten in den Boden gerammt. Sandro indessen pokerete eiskalt und blieb auf dem höchsten Punkt sitzen, um seine Kräfte für den Rückweg zu sammeln. Wie sich später zeigen sollte, war der Punkt, auf dem Sandro sitzen blieb, tatsächlich der Gipfel.
Da die Uhr bereits 11.15 zeigte, machten wir uns auf den Rückweg. Mitten auf dem Grat wurden wir wie bereits am Samstag zuvor auf dem Piz Grialetsch von zwei Bartgeiern überflogen, diesemal konnten wir leider keine Bilder machen. Um 12.00 gönnten wir uns auf dem Piz Alvra das wohlverdiente Mitagessen. Sandro und Martin wollten sich bereits auf den Weg Richtung Piz Uertsch machen, da sie dachten, Andri liesse seine Luft aus seinem Sitzkissen. Sie hatten sich aber gewaltig getäuscht, denn das Geburtstagskind musste dringend Glückwünsche entgegennehmen und beantworten. So zog sich die Pause noch ein wenig hin, und die Aussicht auf den Piz Uertsch war wenig berauschen, zumal Markus in seinem Bericht von “zittrigen Knien” berichtete. Über das Fixseil und die folgenden Felsen konnten wir auch den letzten und vierten Gipfel an diesem Tag erzwingen. Auf den Genuss von Martins mitgebrachten Gifpelwein anlässlich des Geburtstages wurde im Hinblick auf den Abstieg verzichtet. Dieser erfolgte nicht über die Aufstiegsroute, sondern Richtung Piz Blaisun. Zwischen PUnkt 3108 und 2965 verliessen wir den Grat und stiegen südwestlich von Punkt 2798 über steiles Jagdgelände Richtung Albulapass. Hier bewährte sich der Jadgstock wohl zum ersten Mal und konnte nicht nur als modisches Accessoire eingesetzt werden. Unseren Ausgangspunkt erreichten wir nach rund 9 Stunden, inklusive Pausen, wieder.
Die Anfahrt zum Dürrboden in der Dunkelheit war eine abenteuerliche Sache. Rallyeambitionen wurden wach, als die schmale Strasse im Kegel des Scheinwerferlichtes auf einem zuraste. Ok, Sébastien Loeb hätte sich kaputtgelacht, aber ich fands einfach nur toll wieder mal auf Achse zu sein. Von Dürrboden aus stiegen wir bei kühlen Temperaturen zum Scalettapass auf. Von dort ging’s nach Daniels Route zum Scalettahorn. Die Zeit verging wie im Fluge und nach etwa zweieinhalb Stunden standen wir auf dem Scalettahorn. Die Weitsicht war enorm und das Wetter konnte kaum besser sein. Nach einem kurzen Frühstück stiegen wir zum Gletscher Vadret Vallorgia ab, wo wir uns anseilten und nach einem kurzem Spaziergang auf der Fuorcla Vallorgia standen. Von dort aus stiegen wir zum Piz Grialetsch auf. Wider Erwarten war der Weg dorthin kurz und einfach zu finden. Man kann sagen, dass ein regelrechter Pfad existiert, die etwas ausgesetzten Stellen sind sogar mit Bohrhaken bestückt, um ängstliche Partner zu sichern. Frisch und gut gelaunt genehmigten wir uns eine Pause auf dem Gipfel des Piz Grialetsch, schossen Beweisfotos und stiegen wieder ab. Der Rückweg führte uns über den Grialetschgletscher welcher nur noch ein Schatten seiner Selbst war. Sein Rücken war zudem übersäht von tausenden von Flak-Geschossen, sehr bedenklich. Ich überlegte mir gerade ob ich diesen Müll zusammensammeln und den Armeechefs in den Garten werfen soll, als ein riesiger Schatten über den Gletscher gleitete. Als wir den Blick erhoben, sahen wir einen riesigen Bartgeier mit seinem Jungen über uns hinweggleiten. Ehrfürchtig beobachteten wir dieses Schauspiel und auch der kleine Bartgeier fand uns interessant. Er drehte nämlich ab, setzte sich auf einen Felsvorsprung und beobachtete uns. Kurze Zeit später startete er mit einem Flügelschlag und schraubte sich mit der Thermik in die Höhe um dann hinter dem Fels zu verschwinden. Ein gutes Omen, sah er uns nicht als Kadaver. Dies war ein besonderes Erlebnis und rundete diese schöne Tour ab.
Angetrunken schlafen auf 3610m
Wir fühlten uns grossartig, strotzten nur vor Kraft, versanken vielleicht in etwas Übermut. Mit wohlgemerkt Roseg und Bernina in den Beinen wollten wir unsere Ausbildungswoche mit dem höchsten 3000er der Schweiz, dem Piz Zupò, und der ganzen Bellavistaüberschreitung ausklingen lassen. Die physische und psychische Erschöpfung rückte in den Hintergrund, denn was uns erwartete, nannten die einheimischen Bergführer arrogant „Altweibertour“. Uns kümmerte dies wenig, denn mit der Besteigung der zwei berühmtesten Engadiner Eisriesen beschlossen wir uns fortan Bergsteiger zu nennen.
Ganz offensichtlich mit gestärktem Selbstbewusstsein, nutzen wir den freien Nachmittag um wieder zu Kräften zu kommen. Vor der Marco e Rosa Hütte, mitten in einer riesigen Gletscherlandschaft, blickten wir in stinkenden T-Shirts und Socken der Sonne entgegen. Wir scherzten, klopften Sprüche, tranken Calanda, liessen uns von der Sonne wärmen und genossen unsere gemeinsame Zeit.
Der nächste Morgen kam schneller als gewünscht. Die Augen klebten noch zusammen und der Körper sehnte sich nach mehr Schlaf. Die Wetterbedingungen liessen jedoch für eine Planänderung keinen Zweifel aufkommen und so standen wir Punkt 6 Uhr angeseilt mit gestecktem Achter und doppeltem Spierenstich bereit. Wir liefen mit leichter Morgenübelkeit los, vorbei an Crast‘ Agüzza und Piz Argient. Ab der Fuorcla dal Zupò wechselten wir vom langen zum kurzen Seil und stiegen so die letzten 200 Höhenmeter auf den Piz Zupò – Zupò stammt aus dem Romanischen und beudeutet „versteckt“. Die folgende ZS-Überschreitung war wahrlich ein Genuss. Bester Granitfels und einfache Kletterei. Auf dem Hauptgipfel der Bellavista, 3922m hoch, plünderten wir Mauros Tupperware. Gefüllt mit Trockenfleisch, Alpkäse, hartem Brot und dunkler Schokolade liess diese reichhaltige Mahlzeit keine Wünsche offen. Immerhin überragte alleine die Tupperware Gians 26 L Rucksack.
Mit gut 5 Kilo weniger im Gepäck überschritten wir die drei weiteren Bellavistagipfel und gelangten über den oberen Teil des Morteratschgletschers zu Fortezza, wo wir eine gut eingerichtete Abseilpiste vorfanden. Seilführer Gian drückte aufs Tempo, liess uns zu zweit gleichzeitig ab und kletterte nach. Auf dem Vadret da la Fortezza ruschten wir beinahe mit Fallgeschwindigkeit hinunter Richtung Isla Persa – Pickel und Eisschrauben verstauten wir sicher im Rucksack im Falle eines Sturzes. Wir passierten den unteren flachen Teil des stark zurückgegangenen Vadret da Morteratsch ohne Steigeisen und Pickel. Bei Punkt 2003m, wo der Wanderweg nach Morteratsch begann und zahlreiche Schaulustige mit Feldstecher das Schicksal einiger Bergsteiger verfolgten, teilten wir unser Material auf und verstauten es im Rucksack. Dabei wurden wir von neugierigen Touristen beobachtet und anschliessend gefragt, wo wir denn waren. Ganz bescheiden trauten wir uns nicht einmal die unplausible Wahrheit zu sagen.