Montagmorgen auf das Schwarzhorn: Debüt im 2011
Und weiter wird das Palmarès fortgeschrieben. Es fragt sich aber, was nach Besteigung aller 462 Bündner 3000er von einer Tour wie dieser übrig bleiben wird. Das wegen seiner Zugänglichkeit und ob seines Aussichtsplateaus zumindest im Sommer auch von Italiener, Frau und Kind (der Berggänger als Chauvinist) oft bestiegene Schwarzhorn, weder pikante tour de force noch schwunglose Promenade, tut sich wohl einigermassen schwer, den homines alpinii Martin B. und Daniel W. nachhaltig in Erinnerung zu bleiben. (Lionel Messi wird sich in zwei Jahren kaum mehr an ein schönes und erfolgreiches Spiel zwar, aber eine für den nach Höherem Strebenden gewissermassen profane Partie gegen Hercules Alicante erinnern können.) Da haben es die imposanten Piz Roseg, Piz Zupò oder Pizzo Cengalo einfacher. Immer wieder hört man die beiden Routiniers Geschichten zu diesem und jenem kühnen Aufstieg erzählen. Ob auch über das Schwarzhorn in ein paar Monaten noch gesprochen wird? Oder ob es im Rauschen des Bergdiskurses namenlos bleibt, vergessen wird, ja gar verschwindet?
Montagmorgen, das neue Jahr noch jung. Heute ein Quartett. Die schneebedeckte aber weiterhin offene Flüela-Passstrasse ermöglicht Vorfahrt bis zur Passhöhe. Hinaus aus dem weberschen Automobil und mit Fellen und Barryfox hinein in den Schnee also knapp oberhalb des Ospiz (2383). Ohne Rücksichtnahme auf die über die Weihnachtstage nicht geschmeidiger gewordenen Manneskörper führt die vorgezeichnete Spur gleich in steilem Kurs in den noch schattigen Nordhang. Zwischen Punkt 2604 und 2606 werden wir von der Sonne angestrahlt und freuen uns über die blaue Himmelspatina. Schiere Unwirklichkeit für allzuoft in mehlsuppefarbenen Nebelschwaden darbende Ex-Föhnkinder. Das Stadtleben hat seine Tücken, durch und durch. Nicht nur das Rosengartenstrassenkind Andri M. (Zeugungs- respektive Geburtsort als locus est omen?) hoch erfreut über den sich ausbreitenden Prospekt in den Radönt-Kessel. Bald vom regelmässigen und immerwiederkehrenden Klappern – klackklack – und Rutschen – schsch – der Tourenskis wie von einem Metronom in einen angenehmen Rhythmus gewiegt. Zustand der Entrückung?
Nach gut zwei Stunden Gehzeit auf der Schwarzhornfurgga (2880). Von dort nicht nur Blick hinab ins Dischmatal, ebenso hinauf zur breiten südöstlichen Seitenkante der Schwarzhorn-Pyramide: pièce de résistance fürwahr die treffende Bezeichnung für diesen sperrigen und steilen Aufstiegsabschnitt. Nur Daniel W. gelingt es, der einzigen Widerspenstigkeit dieser Tour auf Skiern zu trotzen. Nach der Schlüsselpassage öffnet sich ein freundlicher, breiter Bergrücken, dessen Begehung mühelos erfolgt. Nach wenigen Serpentinen jäh oben auf der Beletage des Schwarzhorns (3146), markiert von einem etwas stillosen, wenig filigran gezimmerten Holzkreuz. Vor der Abfahrt dann aber mehr Henkers- als Abendmahl. Das Wissen um die wenig ausgereifte Abfahrtechnik führt wie oft zu erhöhter Herzfrequenz. Während Martin B. mit gekonntem Fingerzeig noch die Bergwelt erklärt, tut mir die Vorstellung wohl, dass sich der unvorstellbar weite Alpenteppich um die nationalen Landesgrenzen ganz und gar foutiert. Von hier oben nichts als ausgedehntes Niemandsland: La suisse n’existe pas! Nur die Bergnamen verweisen auf Grenzen. Ach, was wollen all die biederen Rot-, Wiss- und Schwarzhörner gegen die Monte Disgrazia oder eine Punta Cassandra? Der alemannische Walser war wohl clever und zäh, leider aber zu sehr Pragmatiker um sich um eine farblose, dafür adrettere Namenswahl zu kümmern.
Wie dem auch sei, der Ausblick war wunderbar. Daniel W. mahnt uns mit Vehemenz, in Richtung Süden zu spähen und unsere Augen an den ‚richtigen’ und ‚wirklichen’ Bergen zu weiden. Der Blick ins nordwestliche Rätikon als verschwenderischer Akt? Wir können ihm nicht widersprechen. Kurz darauf Aufbruch und Abschied. Nicht vom Kreuz, vom Berg aber allemal. Es gelingt uns gar die Abfahrt über die sehr steile Kante knapp oberhalb der Schwarzhornfurgga; freilich bar jeder Eleganz und mehr ein Herabschwindeln als stolzes Fahrenlassen. Nur Andri M., obzwar bereits von den ersten Schwüngen malträtiert (Magnesiummangel?), tanzt und spielt mit der Steilheit des Geländes. Auch von diesen kraftvollen Slalomkurven kann mein Auge an diesem Tag nicht genug bekommen. Dann hinunter in bekömmlicheres Gelände. Mehr oder weniger ohne Zwischenfälle in teilweise schönen Schneehängen die hart erkämpften Höhenmeter allzu rasch einbüssend. Schnee mancherorts schon ziemlich knapp oder verweht, so dass dann auch Skis gezeichnet von Montagstour. Gelandet auf der Engadiner Seite der Flüelapassstrasse, einige hundert Meter unterhalb des Ospiz. Dank Fahrhilfe eines Zugers kann uns Chauffeur Daniel W. alsbald wieder gen Chur führen. Wiederum Dank an Organisatoren der Tour. Hoffe es war die Letzte nicht.
Aufstieg: | Ospiz – Richtung Punkt 2780 – Schwarzhornfurgga – Schwarzhorn |
Abstieg: | analog Aufstieg |
Kommentar?