Stapfen durch Schnee
Mit Zürcher Nummernschildern und bleich im Gesicht fuhren wir, wie es sich für echte Zürcher gehört, nach Fidaz. Doch war nicht das Ferienhaus irgendeines Verwandten das Ziel, sondern das Tristelhorn. Gleich nach Fidaz war dann Schluss mit der gemütlichen Autofahrt, wegen Fahrverbots mussten wir das Auto abstellen und ab dort zu Fuss gehen. Wir erreichten Bargis in der Hälfte der auf der Tafel angegebenen Zeit und bogen ins Val Lavadignas ab. Auf 2334 m bei Mirutta steht malerisch gelegen eine Hütte und wir machten dort eine kurze Rast um uns zu stärken. Die Sonne hatte uns nun eingeholt und begann auf unsere Köpfe zu brennen.
Obwohl es schon Ende Juni war, lag ab 2500 Metern immer noch flächendeckend tiefer Schnee, das Resultat eines kalten und schneereichen Frühlings. Wir waren uns dessen bewusst, dennoch sind wir auf diese Tour aufgebrochen, schliesslich wollten wir unbedingt in Form kommen für das was später im Sommer noch anstehen wird. Deshalb nahmen wir mühsames stapfen im Schnee in Kauf. Abwechselnd spurte einer von uns durch den zunächst flachen, dann gegen Punkt 3021m immer steiler werdende Schneedecke. Das war härteste Knochenarbeit und bald hängte mich das Spurgespann Martin/Daniel bald ab. Keuchend verfluchte ich die Höhe, meine 5Kg Übergewicht und alle feinen Fleischgerichte. Bei Gedanken an diese lief mir aber bereits wieder das Wasser im Munde zusammen. Doch schliesslich schaffte auch ich es auf den Grat.
Wir hatten besprochen, dass wir auch das Glaserhorn besteigen würden, sofern die Bedingungen dazu ausreichend seien. Doch bereits nach kurzer Kraxelei stand fest, dass es wegen des vielen Schnees nicht möglich sein würde das Glaserhorn zu erreichen ohne mindestens ein Mitglied des Teams zu verlieren. Der Fels war zu brüchig und es lag noch zu viel Schnee darauf.
Kollateralschäden waren an diesem Tag nämlich nicht vorgesehen, daher kehrten wir um und richteten unsere Aufmerksamkeit nun auf das Tristelhorn. Die Ostflanke ist steil, aber der Schnee war in solcher Konsistenz, dass man wunderbare Tritte hineintreten konnte. So gestaltete sich der Schlussaufstieg problemlos. Auf den Gipfelturm gelangt man mit einer kurzen Klettereinlage, was bei uns allen wenig elegant aussah. Nach kurzem Genuss des Panoramas stiegen wir bereits wieder ab in Richtung Val Camutschera. Dank des Schnees war der Abstieg kurz und gelenkschonend. Wir hielten uns links vom Tal, umrundeten den Piz Mirutta unterhalb und kamen bald wieder im Val Lavadignas an. In Bargis genehmigten wir uns einen kurzen Umtrunk, prahlten bei deutschen Touristinnen mit unseren Taten und erreichten schlussendlich wieder Fidaz. Dies war ein denkwürdiger Tag, nicht weil die Schweiz noch aus dem WM Turnier fliegen sollte, sondern weil an diesem Tag schon der zweite war, an dem das vollzählige Gr3000 Team (Daniel, Martin, Markus) einen Berg bestiegen hatte.
Tscheischhorn oder unsere erste beinah-sturzfreie-Abfahrt
Das im Winter weiterhin auf zwei Mann reduzierte gr3000 Team (M.L. trainierte in Elm den Nachwuchs) nahm an diesem durchzogenen Frühlingstag das 3019.1m hohe Tscheischhorn ins Visier. Als wahrscheinlich erste Autofahrer an diesem trüben Tage überhaupt, schlängelten wir uns in Papa Webers Gefährt auf den engen Strassen durch das abgelegene Aversertal. Eine wilde Region, die nebst Skitourenfahrer auch viele Boulderer anzieht.
In Juppa parkierten wir das gr3000-Mobil und machten uns startklar – diese Phase der Tour ist sicherlich noch optimierungsbedürftig, da im Vergleich mit anderen Tourengänger bei uns zuviel Zeit verstreicht vom Verlassen des Fahrzeugs bis zum Loslaufen auf Fellen.
Fortan nicht mehr als Erste unterwegs, liefen wir zügig auf den durchfrorenen Schneehängen ins Bergalgatal hinein. Bei Fürgabärg, gleich hinter dem grossen Tobel, gewannen wir in direkter Linie schnell an Höhe. Über die Hänge von Höjabüel gelangten wir nach zwei Stunden Aufstiegszeit zum Punkt 2981, dem Südgrat unseres Tagesziels. Unsere zwei Vorläufer hielten das Tscheischhorn wohl für zu wenig attraktiv und verzichteten auf den Schlussanstieg. Wir hingegen liessen die Skis und Rucksäcke beim Depot (Punkt 2981m) und nahmen den Gipfel zu Fuss in Angriff.
Im gegen Nordosten ausgerichteten Starthang fanden wir erstaunlicherweise noch genügend Pulverschnee vor. Während sich Martin in altmodischer Kurzschwing-Manier in den Hang stürzte, zog ich es wie gewohnt vor, den Berg in mehr oder weniger unkontrollierten Riesenkurven runterzubrettern. Jeder hat halt seine Präferenzen. Nur müssen wir leider weiterhin auf unsere komplett sturzfreie Abfahrt warten: Martin fuhr über den Teller seines eigenen Skistocks, verhedderte sich und stürzte schlussendlich filmreif ganz ohne äussere Einflüsse.
Piz Platta wird dann aber hoffentlich Premiere sein, völlig schmerzfrei, versteht sich..
So lange die altertümliche Seilbahn auf den Cassonsgrat noch in Betrieb ist, wollten Daniel und ich nach der Sommerbesteigung des Piz Dolfs auch den Piz Segnas besteigen. So starteten wir morgens gegen 9 Uhr von Flims mit der Sesselbahn. Nach dem kurzen Aufstieg mit den “normalen” Skitouristen auf den Fil de Cassons, montierten wir unsere Ski um zur Fuorcla Raschaglius hinunterzufahren. 3 Tourenfahrer vor uns stiegen ebenfalls auf der breiten Sput in Richtung Piz Dolf/Piz Segnas. Das Wetter zeigte sich je länger desto mehr von der freundlichen Seite. Bald schon gelangten wir zu Abzweigung Richtung Piz Segnas. Zu unserem Glück bahnten sich die 3 Tourengänger vor uns souverän einen Weg durch den in den vergangenen Tagen neu gefallenen Schnee. Besonders im heiklen und steilen Abschnitt Richtung Surenjoch war die mit viel Schnee gefüllte Traverse angenehm gespurt worden, so dass auch wir beiden ohne grössere Mühe den Weg hinauffanden.
Nun ging es Richtung Südwesten bei dichtem Nebel steil den hartgepressten Hang hinauf. Daniel die Ski tragend, ich mit unzähligen Spitzkehren erreichten wir den Punkt 3039. Von dort ging es flott hinunter bis zum Sattel zum Hauptgipfel, wo wir unsere Ski deponierten. Nach einem Aufschwung erreichten wir den vermuteten Gipfel, wobei ein Blick auf die Karte uns eines Besseren belehrte. So folgten wir dem Grat noch ein wenig weiter, bis wir wirklich den höchsten Punkt erreicht hatten. Von Süden bliess ein starker Wind auf den Gipfel, so dass wir unterhalb eine kleine Rast einschlugen. Durch die Nebelschwaden hindurch tauchten plötzlich zwei Steinadler auf, die über unsere Köpfe hinwegzogen und durch den starken Wind bald schon wieder ausser Sichtweite waren. Zurück beim Skidepot kamen uns die 3 Tourengänger, welche zuerst noch den Piz Sardona bestiegen hatten, entgegen. Schon wollten wir uns für die Spurarbeit bedanken, da erkannten wir Pirmin. Eigentlich hätten wir schon lange eine Tour mit ihm machen wollen, aber immerhin hat er uns an diesem Tag eine gute Spur hingelegt. Hoffentlich klappts ein anderes Mal.
Auf unsicheren Beinen machten wir uns an die Abfahrt. Leider konnte man unsere Spuren nachher noch im Schnee sehen, oder Pirmin? Richtung Boden Segnas Sut gabs dann herrlichen Pulverschnee und damit auch hervorragende Sturzmöglichkeiten, welche natürlich ausgenutzt wurden. Es kann an dieser Stelle versichert werden, dass auch ein “Purzelbaum” in voller Fahrt bei genügend Schnee absolut kein Problem darstellt – vorausgesetzt die Bindung ist für ein nicht zu hohes Gewicht eingestellt. Nach antrengendem Anschieben über die Flachebene fanden wir und schnell wieder im Trubel aller Touristen. In Flims angekommen, zogen wir es daher vor, möglichst bald wieder nach Hause zu kommen.